Wachs in Übersetzerhand

Anton Maria Salvini, geboren am 12. Januar 1653 in Florenz, der älteste von sieben Söhnen. Besuchte die Jesuitenschule. Ab 1671 Studium in Pisa. Ab 1677 Griechisch-Professor an der Universität in Florenz. Parallel dazu kirchliche Laufbahn, zuletzt Kanoniker am Florentiner Dom.

Stand mit vielen wichtigen Persönlichkeiten im Briefwechsel (wie damals alle wichtigen Persönlichkeiten), darunter Vertreter anderer Glaubensbekenntnisse. Mitglied der Accademia della Crusca, der Accademia Fiorentina, der Accademia di Apatisti, der Royal Society. Ein Konservativer, der von der unerreichbaren Überlegenheit des Griechischen ausging. Und von der besonderen Eignung des Italienischen, die Werke der alten Griechen nachzubilden. Ohne sich literarische Freiheiten herauszunehmen.

Was u.a. voraussetzt, dass der Übersetzer aufs Reimen verzichtet. Schon Baccelli hatte sich dagegen entschieden: eine Möglichkeit, entsprechend der Vorlage in Versen zu übersetzen, ohne die Verrenkungen grammatischer und inhaltlicher Art, zu denen Reimschemata auf die Länge von 24 Büchern zwingen.

Altgriechisch war für ihn wichtig, um für das Verständnis der Heiligen Schrift nicht allein auf die Vulgata angewiesen zu sein. Mindestens genauso wichtig war ihm aber auch die Vorbildfunktion des Griechischen für das Italienische, bei dem sich eine von den Alpen bis zur Stiefelspitze verbindliche Hochsprache erst noch bilden musste. Das kann man in seinen Vorworten zu seinen zahlreichen Klassikerübersetzungen nachlesen.

Salvini übersetzte auch Werke von Galileo Galilei und von Zeitgenossen, z.B. aus dem Englischen Cato von Joseph Addison, dem Mitgründer des Londoner Spectator (1711), der ersten Moralischen Wochenschrift – was mir Gelegenheit gibt, den Bogen zurück zu Bodmer und Die Discourse der Mahlern zu schlagen. Und er ist Zeitgenosse von Madame Dacier, beider Übersetzungen der Odyssee erschienen im Abstand von sieben Jahren.

L’Uomo narrami, o Musa, astuto e scaltro,
Di varj modi, e di maniere adorno,
Che molto assai pel mondo andò vagando
Da ch’espugnò ’l castel sacro di Troja.
Di molt’uomini vide le cittadi,
Ed il genio conobbe, e ’l sentimento.
Molti ei pel mar patì in suo cuore affanni,
Riscattando sua vita, ed il ritorno
De’ compagni; ma nè così i compagni
Diliberò, quantunque ei lo bramasse.
Che per le proprie lor follie periro:
Stolti, che i buoi del Sole Iperióne
Mangiaro: ei tolse lor della reddita
Il dì: di tai cose onde tu vuoi
Di Giove figlia, o Dea, narra anco a noi.

Das erste Buch von Salvinis Übersetzung ist in der Ausgabe von 1742 online abrufbar.

Und was es mit dem Titel des Beitrags auf sich hat, löse ich vielleicht später auf, jetzt geht die Odyssee erst mal in die Sommerpause.

Literatur

Odissea d’Omero. Tradotta Dall’Original Greco In Versi Sciolti. [Ü.: Anton Maria Salvini] Florenz: Giovanni Gaetano Tartini, Santi Franchi 1723

Maria Pia Paoli: Salvini, Anton Maria. in: Dizionario Biografico degli Italiani – Volume 90 (2017) mit ausführlicher Bibliografie, https://www.treccani.it/enciclopedia/anton-maria-salvini_%28Dizionario-Biografico%29/, abgerufen 2.3.22

Sabine Schwarze: Sprachreflexion zwischen nationaler Identifikation und Entgrenzung. Der italienische Übersetzungsdiskurs im 18. und 19. Jahrhundert. Münster: Nodus 2004

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert