Einer, der politisch mit seinen Schriften etwas bewegen will, weicht auf Übersetzungen aus, weil zensiert wird, was er unter seinem eigenen Namen veröffentlicht. So könnte es bei Thomas Hobbes gewesen sein, sagt Andrea Cantazaro (Politics through the Iliad and the Odyssey. Hobbes writes Homer. New York: Routledge 2019).
Was im Umkehrschluss hieße, dass Zensoren Übersetzungen nicht auf dem Schirm hatten.
Ist das so? Welche Formen von Zensur betreffen Übersetzungen überhaupt? Und welche Bereiche beeinflusst sie gegebenenfalls besonders stark und häufig?
Am seltensten, nehme ich an, werden Übersetzungen als Übersetzungen zensiert. Behörden behandeln sie vermutlich wie Originalwerke und streichen, was ihnen nicht passt. Oder verbieten ein fremdsprachiges Werk von vornherein.
Am häufigsten und facettenreichsten dürfte die innere Zensur sein.
Schaidenreisser lässt Odysseus bekleidet vor Nausica antreten. Und obwohl die Dokumente in Münchner Archiven die Schreibung Scheidenreißer ebenso rechtfertigen, hat sich die trapsende Nachtigall durchgesetzt.
Die Schere im Kopf des Übersetzers hat, ob als unbewusste Anpassung, Überzeugungstat oder bewusste Kapitulation vor politischem oder gesellschaftlichem Druck, Legionen von Übersetzungsentscheidungen beeinflusst.
Gab es Systeme, in denen Übersetzungen auf ihre Systemtreue geprüft wurden? Institutionalisierte Systeme jenseits des inneren Zensors und pauschaler Verbote, inhaltlich anstößige oder unliebsame Werke zu übersetzen? Hat z.B. der Vatikan nur Originalwerke verboten oder ließ er Übersetzungen verbrennen, deren ausgangssprachliche Vorlagen nicht auf dem Index standen?
Ich habe mir ein paar Bücher zu dem Thema bestellt, mal sehen, ob sie mir zu der Frage Auskunft geben können.