Er hat Unendlicher Spaß von David Foster Wallace übersetzt. Und Witz von Joshua Cohen. Beides richtig dicke Bücher. Keins davon wirklich lustig. Und hart an der Grenze zur sogenannten Unübersetzbarkeit.
Für die Übertragung von Wallaces Infinite Jest bekam er 2010 den Preis der Leipziger Buchmesse, und für Cohens Witz (so ist auch die amerikanische Ausgabe betitelt) 2022 den Paul-Celan-Preis. Und zwar vorgestern, im LCB.
Die Laudatio schrieb Joshua Cohen, aber er hielt sie nicht. Stellvertretend las sie Sabine Baumann vom Schöffling Verlag (bei dem die Übersetzung von Cohens Witz erschien), und Joshua saß auf der anderen Seite des Atlantiks und verfolgte den Live-Stream.
Nach ausgiebigem Musil-Zitat – Ulrich aka Der Mann ohne Eigenschaften – bekannte sich der Übersetzte fröhlich, des Übersetzers Lieferant zu sein, und frotzelte, auch wenn sein Ulrich, Ulrich Blumenbach, anderer Meinung sei als er, Joshua Cohen, würde er doch den Lieferanten übersetzen und mit des Belieferten Meinung hinterm Berg halten.
Der Herr des Hauses, der sich einbilden kann, dessen Diener zu sein: Das sei, schreibt Cohen in Anlehnung an sein ausgiebiges Musil-Zitat, die beste Beschreibung der Existenz des Übersetzers. Und auch wenn sein Ulrich …
Denn klar: Auch Joshua Cohens Laudatio auf sich hat Ulrich Blumenbach übersetzt.
In seiner eigenen Rede verzichtete er auf hübsche Bonmots und ein dankbares Lachen vom Publikum. Er zollte Paul Celan, der dem Preis seinen Namen gab, und zugleich Joshua Cohen Respekt, indem er zitiert, was dieser zitiert, und das war mehr als ein rhetorischer Kniff.
Denn der „glühende Leertext“, von dem Celans Gedicht „Die Posaunenstelle“ ausgeht, das ist der historische Kontext, in dem sich der Autor und damit zwangsläufig auch der Übersetzer bewegen. Da wurde etwas ausgelöscht, was den Autor zu seiner Spurensuche im großväterlichen Deutschland bewegte und dem Übersetzer die Aufgabe bescherte, das Jiddische aus seiner Asche zu klauben.
Es geht beim Übersetzen nicht um Wörter, Satzkonstruktionen oder -zeichen. Es geht um Zusammenhänge. Ulrich Blumenbach konnte Witz nicht übersetzen ohne das Wissen um die, ich zitiere aus seiner Rede, „historisch belasteten Sprachbedingungen“. Er musste sein Deutsch verändern. Denn das Deutsche ist korrumpiert durch den Nationalsozialismus. Worte, die wir noch immer verwenden, wurden missbraucht. Das verbietet und in einer solchen Übersetzung allemal ihren naiven Gebrauch.
Aber – und das ist es, was Ulrich Blumenbach ausgezeichnet geschaffen hat und wofür er ausgezeichnet wurde – die Übersetzung darf bei aller Reflektiertheit, bei allem Verantwortungsbewusstsein eins nicht: ungelenk werden, die Schönheit von Joshua Cohens Prosa zerstören.
Ulrich hat es „die kognitive Dissonanz in Witz“ genannt, dass diese Prosa schön ist, „schön, weil sie zittert. Sie erschauert unter den Spuren historischer Gewalterfahrungen.“
Cohens zerbrochene, angeknackste, irre gewordene literarische Sprache – auch hier paraphrasiere ich Ulrichs Rede – unterläuft mit Wortspielen, Albernheiten und Kalauern jegliches Pathos und entwickelt mit Witz ihren eigenen Charme.
Was für den Übersetzer bedeutet, und hier paraphrasiere ich Ulrich nicht mehr, dass er 912 Seiten lang auf Messers Schneide wandelte – in der doppelten Bedeutung des Wortes.
Lieber Ulrich, ich gratuliere dir von ganzem Herzen zum Paul-Celan-Preis.