Die Zeit der Philologen

Am Anfang war Latein, dann auch Griechisch, aber Latein dominiert noch heute unsere altsprachlichen Gymnasien. Anfangs wurde ins Lateinische übersetzt, später war der Löwenanteil der Übersetzungen solche aus den alten Sprachen: Latein und Griechisch.

In der Folge waren ab der Renaissance einige Jahrhunderte lang viele, wenn nicht fast alle Literaturübersetzer Philologen und fast immer Männer. (Oder wird umgekehrt ein Schuh draus: Weil Literaturübersetzen eine Männerdomäne war, wurde fast nur in/aus Latein etc. übersetzt?)

Erstens beherrschte, wer lesen und schreiben konnte, ganz selbstverständlich auch Latein (denn Lesen und Schreiben lernte man an Lateinschulen, flächendeckend), zweitens gab es ganz am Anfang des rinasciemento noch keine wesentlichen literarischen Werke in modernen Sprachen – zu den ersten zählt Dantes Divina comedia -, so dass zunächst nur antike griechische Autoren ins Lateinische übersetzt wurden, und drittens war es gerade in den Anfängen des Buchdrucks sinnvoll, überregionale Absatzmärkte zu bedienen, und diese Chance bot die allgemeine Verbreitung des Lateinischen unter potenziellen Buchkäufern.

Es brauchte also nicht nur sprachkundige, sondern philologisch ausgebildete Übersetzer. Das hatte und hat vermutlich Folgen für die Zunft.

Aber welche?

Eine Folge ist sicher, dass überhaupt übersetzt wurde. Hätten Theologen das Sagen gehabt, wäre das weniger sicher gewesen, auch wenn die Front durch eine ziemlich zerklüftete Landschaft verläuft.

Ohne das Thema zu vertiefen: Den Koran lernt die muslimische Welt auf Arabisch, ob sie nun muttersprachlich Kiswahili spricht oder malayisch. Luthers Bibelübersetzung wurde, auf eine Art betrachtet, mit einem ungeheuren Blutzoll bezahlt. Für Walter Benjamin ist

die Interlinearversion des heiligen Textes […] das Urbild oder Ideal aller Übersetzung.

Walter Benjamin: Die Aufgabe des Übersetzers, in: ders.: Gesammelte Schriften Bd. IV/1, Ffm: Suhrkamp 1972, S. 21

Das wäre also die mittelalterliche Methode des verbum ad verbo, die mit Beginn der Renaissance erst mal komplett über Bord ging.

Der Streit zwischen Buchstabentreue und einem schönen, vergnüglich zu lesenden Text als Endprodukt einer Übersetzung zieht sich von den Anfängen bis heute durch die Diskussion. Nichts deutet darauf hin, dass er eines Tages entschieden sein könnte.

Hier und heute schon gar nicht.

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