Zwischen den Zeilen gehts heiß her

Übersetzen ist nichts für Prüde. Immer wieder mal muss ich bei Online-Recherchen auf höchste Sicherheitsstufe bei Cookies und Trackern stellen, sonst werde ich mit Werbemails à la „how to make your penis bigger“ zugeschüttet. Am Anfang meiner Laufbahn musste ich das erst noch lernen und einmal deswegen sogar die E-Mail-Adresse wechseln, weil ich das Problem nicht mehr in den Griff bekam.

Manchmal ist schon das Ermitteln der Bedeutung delikat, denn der relevante Wortschatz steht oft nicht in Wörterbüchern und findet sich auch nicht so leicht im Netz, also muss ich fragen. Und mit dem entsprechenden Wortschatz im Deutschen bin ich auch nicht in allen Szenen vertraut, also …

Wobei – in der Regel kommt es nicht so ganz dicke. Das Thema wird angerissen, angedeutet, beherrscht einzelne Szenen, aber eher selten das ganze Buch. Und oft wird nur angedeutet und die Hauptsache verschwindet zwischen den Zeilen. Was dann schon mal zu den wildesten Spekulationen führt und oft haarscharf an Überinterpretation vorbeischrammt.

Heute beispielsweise habe ich überlegt (weil die komplette Passage die frühen sexuellen Erlebnisse des Helden behandelt): Wenn Kamov die Vorstellungen eines jungen Mannes vom Leben u.a. mit dem schwingenden Flügel der Lerche – ševa – vergleicht, ševati nach meiner fast schon verblassten Erinnerung aus Zagreber Zeiten vögeln heißt, ist das dann eine Anspielung?

Weil es mit Spatzen und Kanarienvögeln weitergeht, ist es für die Übersetzung hier uninteressant; ich kann die Lerchen an der Stelle nicht zu Vögeln verallgemeinern, um die Anspielung in den deutschen Text zu holen. Außerdem ist die Passage auch ohne solche Anspielungen explizit genug.

Bei einer anderen Stelle will ich die Doppelbödigkeit zumindest denkbar machen. Der Held sitzt den Winter oft allein im Zimmer und kritzelt Geschichten oder Notizen, und das Wort dafür ist im Kroatischen klanglich sehr dicht am wichsen. Auch da bin ich mir nicht hundertprozentig sicher, ob ich überinterpretiere (den Autor kann ich schlecht danach fragen), aber das ist letztlich auch egal, solange ich im Deutschen ein Wort finde, in dem die zweite Bedeutung mitschwingt, das aber in erster Linie etwas mit Schreiben zu tun hat.

Meine Übersetzung von Janko Polić Kamovs Isušena Kaljuža soll Ende 2023 beim Guggolz-Verlag in Berlin erscheinen 😉

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