Es ist ein tragischer Umstand, dass die Kunst, die wie keine zweite von der Verschiedenheit der Sprachen abhängt, auf der Ebene von Nationalsprachen dazu beiträgt, dass Sprachen oder Dialekte – wo das eine aufhört und das andere anfängt, ist eine politische, keine linguistische Frage – verschwinden. Übersetzungen sind nicht der Auslöser dieser Entwicklung, eher Trittbrettfahrer, aber sie profitieren davon.
Literaturübersetzungen als Massenphänomen gehören zu einer Kultur, die dank der Entstehung einer bestimmten, in der Beherrschung der Welt sehr erfolgreichen Form von Naturwissenschaft und Technik imperialen Charakter hat. Der globale Anspruch ist unserer westlichen Welt immanent, da beißt die Maus keinen Faden ab.
Der afrikanische Buchmarkt lief im letzten Jahrhundert und läuft vermutlich immer noch weitgehend über London. So gesehen tragen Übersetzungen nicht nur auf Ebene der Nationalsprachen, sondern auch global zum Aussterben von Sprachen bei. Nur vereinzelt haben sich Autoren dazu entschlossen, in ihrer Muttersprache zu schreiben, etwa Ngugi wa Thiongo, der schon lange auf Kikuyu publiziert (wobei die bei Wikipedia angegebenen Übersetzungen und Titel allesamt aus dem Englischen sind).
Unsere Form der Buchkultur ist oder vielmehr war anderen Kulturen fremd, und sie gehört in ihrer jetzigen Form zu den Faktoren, die kleine Sprechergemeinschaften erst in die Isolation treibt, sie überaltern und schließlich verschwinden lässt. Denn unsere Form der Buchkultur ist auf Auflage gegründet, auf Masse.
Oder vielmehr, ich wiederhole mich: Sie war es.
Einerseits hat unsere Buchkultur sich längst weltweit durchgesetzt, längst gehört Schulbildung auch in Ländern, die bis zur Kolonialisierung keine Schriftkultur hatten, zum Normalfall. Und andererseits setzen sich elektronische Geräte mit Akku – Stichwort Mobiltelefon – nicht zuletzt in der Serengeti durch.
Denn andererseits zum zweiten steht mit dem Internet ein neues Medium für Veröffentlichung zur Verfügung, das in so manchem Punkt an die Handschriften des Mittelalters und der Antike erinnert.
Nicht nur, dass das Scrollen an die Frühform des Buches – die Schriftrolle – erinnert, jede noch so kleine Sprechergemeinschaft könnte, Interesse und Übersetzungswillige vorausgesetzt, ihre Odyssee ins Internet stellen.