Simon Schaidenreisser

Geboren um 1500 in Bautzen, ab 1515 Studium in Wittenberg, 1516 den niedrigsten akademischen Grad, Baccalaureus, erworben, nennt sich seither Minervius. – Lücke. – Im Frühjar 1522 kurz in Konstanz, wahrscheinlich als glühender Erasmus-Verehrer auf der Durchreise nach Basel. Ab 1523 in Basel, im selben Jahr wird er Magister artium. Befreundet mit Peter Traibenraif, bei dem er zeitweilig wohnt, vielleicht in Schwaz (nahe Innsbruck).

Ab 1525 in München. Zunächst Stadtpoet, d.h. Lehrer und Leiter der Lateinschule. 1534 verlässt er die Stadt mit Frau und Kind wegen der Pest. Kriegt eine satte Gehaltserhöhung, weil er zurückkommt. Wird im selben Jahr zum Stadtschreiber gewählt, mit knapper Mehrheit, der Hälfte der üblichen Besoldung und vielleicht von Anfang an nur übergangsweise, weil er kein Jurist ist. Ein Stadtschreiber, damals das höchste Amt in der Kommunalverwaltung, leitete den Protokolldienst der Ratssitzungen, führte die Rechnungsbücher der Stadtkammer und beurkundete als Notar Eheschließungen, Testamente usw.

Ab 1538 bis zu seinem Tod um 1572 Stellvertreter und akademisch gebildeter Assistent des Stadtrichters (der ein Patrizier sein musste). Verdient zuletzt jährlich 60 Gulden. Hinterlässt fünf Kinder von zwei Frauen. Sein ältester Sohn übernimmt das Amt von ihm.

Ein Leben, das im Nebel der Zeit verschwimmt. Zusammengeklaubt aus amtlichen Einträgen, soweit sie sich in Stadt- und Universitätsarchiven erhalten haben, und aus Bibliotheken.

Winfried Zehetmeier (1933-2019), der später für die CSU in die Münchner Kommunalpolitik ging, schrieb als Altphilologe und Germanist seine Doktorarbeit über Schaidenreisser, 1961 als Dissertationsdruck veröffentlicht. Sämtliche Angaben in diesem Beitrag sind von ihm übernommen, wenn auch mit meinen Worten wiedergegeben.

Einen durch und durch bürgerlichen „Vertreter des deutschen humanistischen Fußvolkes“ (S. 32) nennt Zehetmeier den Schaidenreisser Simon, der sich „im konfessionell geschlosseneren Bayern […] eines ruhigeren Lebens erfreuen konnte“ als seine Zeitgenossen im von der Reformation gebeutelten Mitteldeutschland, und dann skizziert er den Freundeskreis, in dem sich „Minervius“ bewegte: Ludwig Senfl, Marcus Tach, Wolfgang Hunger, Martinus Balticus, Hieronymus Baumgartner

Schaidenreisser hielt sich bedeckt, was seine Einstellung zu Luther betraf, und wohnte unbehelligt in München, während andere wie Martinus Balticus, die offen mit der Reformation sympatisierten, gehen mussten.

Übersetzte Schaidenreisser die Odyssee, weil er sich von der Polemik zwischen den religiösen Lagern erholen wollte? Suchte er mit seinen kommentierenden Marginalien zur Odyssee Zuflucht in der Sicherheit des überlieferten Wissens?, hielt seinen Strabon, seinen Plinius wie einen Schild vor sich? Hatte er die scharfen Wortwechsel satt, setzte er etwas dagegen, etwas, das ihm Anerkennung, ja, Ruhm versprach?

Die Antwort auf solche Fragen dringt nicht durch den Nebel der Zeit.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert