Plumper Klump

Eins läuft beim Übersetzen immer mit, mal mehr, mal weniger in Fokus der Aufmerksamkeit: auf den Klang zu achten, auf den Rhythmus, der entsteht durch die Abfolge von betont/unbetont (z.B. er ist verrückt/es ist idiotisch), durch offene und geschlossene Vokale (z.B. Ofen/offen), durch ähnliche Lautfolgen (z.B. in Saus und Braus), durch die allseits beliebten Alliterationen (z.B. zehn zahme Ziegen) usw.

Schon die alten Griechen haben die akustischen und sonstigen „Tricks“ erfasst und systematisiert: Von Alliteration bis Zeugma sind sie fester Bestandteil der Rhetoriken seit Aristoteles. Mit der Systematik wurden Begriffe definiert, die zur Beschreibung der Phänomene, die die Wirkung eines Textes bestimmen, bis heute unerlässlich sind.

Zum Klang gehört auch, was nicht zu hören ist: die Denkpausenlänge nach Satzzeichen – die ist nach einem Komma kürzer als nach einem Punkt, und nie länger als nach einem Seitenumbruch. Und übrigens durchaus verschieden in verschieden Sprachen (einer der Gründe, warum ich die Zeichensetzung des Originals nicht unbedingt beibehalte).

Übrigens übrigens hat Christian Morgenstern den Denkpausen mit Fisches Nachtgesang ein herrliches Denkmal gesetzt.

Und noch übrigensener überschneidet sich nicht nur die Lebenszeit von Christian Morgenstern (1871-1914) mit der von Janko Polić Kamov (1886-1910) – die Art, wie beide mit Gedankenstrichen umgehen, ist verwandt. Beispiel:

dok najedamput ne izbaci jedno okruglo – – eliptično „O“
aber dann entfuhr ihr ein rundes – – elliptisches ‚Oh!‘

Janko Polić Kamov: Isušena Kaljuža, eLektire.skole.hr S. 37

Die Rechnung stimmt nicht, deswegen das Oh; die beiden Gedankenstriche stehen für die Zeit, in der sich die Lippen von dem Kussmaul des geschlossenen o (Ofen) zum Froschmaul des offenen o verziehen. Denn eben darin drückt sich die Enttäuschung aus – ich habs erst begriffen, als ich es mir laut vorsagte.

Und ganz ähnlich wie bei Morgenstern werden auch bei Kamov Dinge oder Naturphänomene zu handelnden Figuren.

Der aufgehende Mond beispielsweise schiebt sich riesig und dreckig und schwerfällig über den Horizont Richtung Zenit. Solche Passagen haben einen hochgradig lyrischen Duktus, und den könnte ich, da ich die Satzkonstruktionen, die dem Kroatischen möglich sind, im Deutschen nicht zur Verfügung habe, teilweise mit Klangassoziationen erzeugen. Sparsam dosiert, sonst wird es affektiert.

Insofern bin ich mir nicht sicher, ob der plumpe Klumpen wieder ein ungeschlachter Klumpen wird … oder ob ich ganz was anderes draus mache.

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